Biedermann und die Brandstifter - Didaktik 1

Darstellendes Spiel

Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller
Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.
(Schiller, Ästhetische Erziehung, 15. Brief)
Transplantiert auf die Pädagogik müsste der Satz wohl heißen: Der Jugendliche wird nur dann ganz zum Menschen oder zum ganzen Menschen, wenn und indem er spielt.Oder drapiert das Schillersche Pathos nur das Elend der heutigen Pädagogik: Spiel als Beschäftigungstherapie, um die Kids ruhig zu stellen?
Das Darstellende Spiel gehört in den Kontext einer ganzheitlichen Pädagogik, die durch Handlungsorientierung und Erfahrungsbezug den ganzen Menschen ansprechen möchte. Es hilft, eigene - auch verdeckte und unbewusste - Haltungen zu mobilisieren. Ingo Scheller versteht dabei unter Haltung das Gesamt an inneren Vorstellungen, Gefühlslagen, sozialen und politischen Einstellungen und Interessen (innere Haltung) und körperlichen und sprachlichen Ausdrucksformen (äußere Haltung), die eine Person in bestimmten Interaktionssituationen zeigt, aber auch längerfristig gegenüber anderen Menschen und sich selbst aufrechterhält. Die Schüler sollen auf diesem Weg eigene Haltungen entdecken, ausagieren, untersuchen und auch ein Stück weit verändern, ohne daß sie dafür direkt verantwortlich gemacht werden können.
Das Darstellende Spiel bietet die Chance, spielerisch mit Haltungen und Verhaltensweisen zu experimentieren. Der Jugendliche kann unterschiedliche Lebensmuster durchprobieren, um sie dann gegebenenfalls in den Aufbau seiner Identität zu integrieren. Diese entwicklungspsychologische Funktion des Darstellenden Spiels für die Ausbildung der Persönlichkeit ist nicht zu unterschätzen: Das Darstellende Spiel wird zum Medium der Vermittlung und Aneignung eines Modells vom Verhalten des Menschen in (s)einer sozialen Umwelt. Es trägt durch die Auseinandersetzung mit solchen Modellen zur Ausbildung einer individuellen Sinnkonstitution bei.
Das Darstellende Spiel fordert und fördert das Vorstellungsvermögen und die Kreativität der Schüler. Sowohl ihre Bereitschaft und Fähigkeit, sich in fremde Personen, Rollen und Lebensumstände einzufühlen, als auch der Mut und die sprachlichen und nicht-sprachlichen Mittel, Eigenes zum Ausdruck zu bringen, entwickeln sich auf diese Weise. Insofern ist das Darstellende Spiel eine Schule der Empathie und Dezentrierung: sich aus sich selbst heraus versetzen und sich auf fremde Lebenshaltungen einlassen. Indem die Schüler in unterschiedliche Identitäten schlüpfen und deren Erfahrungen und Gefühle bis zu einem gewissen Grad „von innen her" am eigenen Leib erspüren, werden auch Offenheit und Ambiguitätstoleranz „trainiert".
Bei der Organisation und Durchführung werden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer verbessert. Auch im Spiel selbst entwickeln die Spieler ihre Interaktions- und Sprachfähigkeit.
Entscheidend für den Erfolg ist die Verbindung von emotional-imaginativen und kognitiv-reflexiven Zugängen bzw. Verfahren.
Rollenspiel:
Zunächst gilt es zu klären, welche Vorstellungen (gesellschaftliche Erwartungen, Kompetenzen) mit einer bestimmten Rolle verbunden sind. Die Schüler müssen versuchen, die notwendigen Rollenkompetenzen für ihre Bewältigung aufzubauen. Sie können sich entweder damit begnügen, sich an die Anforderungen des Rollenprofils anzupassen (role-taking) oder aber innovativ und initiativ die Gestaltungsmöglichkeiten der Rolle auszuschöpfen (role-making).
Die Herauslösung aus Gewohnheit und Zwang der eigenen Wirklichkeits- und Sozialbezüge, und das spielerische Experimentieren mit Rollenkonzepten bilden die Voraussetzung für eine Veränderung und Bereicherung des eigenen Verhaltens-, Fühl- und Denkrepertoires.
Untervarianten des Rollenspiels sind zum Beispiel: Konferenz, Debatte, Tribunal. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist ein kontroverses Thema. Dieses wird zum Gegenstand von Statements, Plädoyers, Streitgesprächen, Diskussionen usw. Wichtig ist, dass die Teilnehmer lernen, bestimmte Regeln der Auseinandersetzung einzuhalten.
Das Planspiel simuliert in vereinfachten Settings reale Entscheidungsprozesse- und Handlungsabläufe. Es dient v.a. dem Verständnis und der Ausarbeitung von Bewältigungsstrategien beim Umgang mit komplexen Sachverhalten. Teamfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit sind die beiden Pole, welche die Spannweite der Kompetenzen markieren, die dabei erforderlich sind.
Damit diese Spiel-Arrangements nicht in Chaos und Frustration enden, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

Phase 1: Informationsbeschaffung und -verarbeitung = Wissensvoraussetzungen schaffen
Phase 2: Meinungsbildung und Vorbereitung von Statements und Argumentationen (GA)
Phase 3: Argumentation, Diskussion, Verhandlung (Plenum)
Phase 4: Auswertung und Reflexion (Plenum)

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