Biedermann und die Brandstifter - Didaktik 2


Szenisches Interpretieren:
Ziel ist, über den handlungs- und produktionsorientierten Umgang mit einem literarischen Text Verständniszugänge zu schaffen. Im Mittelpunkt steht also nicht die eigene Person, der Selbstausdruck, sondern das Bemühen über szenische Versuche in die Personen und Themen des fremden Textes hineinzugelangen. Der Schüler „erfährt an sich", was die fremden Figuren etwa eines Dramentextes denken und empfinden mögen. In seinen szenischen Versuchen „konstruiert" er seine Vorstellung und sein Verstehen des fremden Textes.
In der Annäherungsphase werden sinnliche Vorstellungen von der Figur, von den Räumen, in denen sie sich bewegt, von ihrer Lebensgeschichte (Rollenbiographie), ihren Lebenszusammenhängen, den Beziehungen zu anderen Figuren und schließlich von den gesellschaftlichen, kulturellen, historischen usw. Rahmenbedingungen aufgebaut.
Die Schüler experimentieren mit Sprech- und Körperhaltungen, die sie der Figur „anprobieren". Dabei lernen sie die Ausdrucksqualitäten des Körpers (Gestik, Mimik, Position und Bewegung im Raum, Konfiguration) kennen. Sie bauen Standbilder, um die Befindlichkeit einzelner Figuren, und Statuen, um ihr Beziehungsgefüge anschaulich zu machen. In Rollenmonologen und Rollenbiographien geben sie der jeweiligen Figur Tiefenperspektive und Konsistenz.
Bei den eigentlichen Spielversuchen mit Text sollten auch die Zuschauer einbezogen werden: als „Regisseure", die den Spielern Spielvorschläge machen, oder nach dem Prinzip des Rollentausches einen Spieler ablösen, um ihre eigene Vorstellung einzubringen.
In der Regel ist nicht die Aufführung der Endzweck des Spiels. In Reflexionsphasen sollten vielmehr die unterschiedlichen Erfahrungen, Beobachtungen und kritischen Analysen der Teilnehmer zur Sprache kommen. Die Basis dieser kognitiv-analytischen Phase sind aber persönliche, sinnliche, ganzheitliche Erfahrungen.
Wichtig für das Gelingen ist der Lehrer: Er ist Organisator und Spielleiter. Er sollte allerdings gelegentlich auch Mitspieler sein, um die Barriere zwischen überlegen-kritischem Beobachter und Arrangeur auf der einen Seite und den Spielenden andererseits abzubauen.
Alle Spielversuche stehen unter Rollenschutz. Kritik gilt immer dem jeweiligen Rolleninhaber, nie dem Schüler direkt. Während in Therapieformen wie Psychodrama, Soziodrama, Selbsterfahrungsgruppen Persönliches direkt thematisiert und bearbeitet wird, sollte dies in der Schule unterbleiben. Die Chance des Darstellenden Spiels- auch für die Persönlichkeitsbildung - liegt gerade in der spielerischen Unverbindlichkeit, der Kulisse des nur Vorgestellten, hinter der das Ich zu sich selbst finden kann.
Text: K. Roth


Literaturhinweise:

  Meyer, Hilbert: UnterrichtsMethoden II. Frankfurt: Cornelsen Verlag Scriptor, 1987, S.341-370 (Spielen im Unterricht)
  Scheller, Ingo: Szenische Interpretation. Praxis Deutsch 136 (1996), S.22-32
  Schuster, Karl: Zur Theorie und Praxis des literarischen Rollenspiels. In: Blätter für den Deutschlehrer H 2, 1988, S.33-46
  Spielzeit. Spielräume in der Schulwirklichkeit. Friedrich Jahresheft XIII, 1995
  Szenisches Spiel - Spielprozesse. Praxis Deutsch 76 (1986)

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